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Fassade der Fronleichnamskirche der Ursulinen

Von:
Gamer, Jörg: Matteo Alberti. Oberbaudirektor des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz, Herzog zu Jülich und Berg etc.. Düsseldorf 1978, Seite192 ff.

Die Fassade ist durch einen Risalit in der Breite des Kirchenschiffs gegliedert. Den Kanten des Risalits entsprechend sind die Turmkanten als Eckpfeiler ausgebildet. Vier Pilaster jonischer Ordnung auf hohen Postamenten tragen ein Gebälk, das, an den Türmen fortgeführt, den rechteckigen Unterbau abschließt und über den Eckpfeilern verkröpft ist.

Die drei mittleren Achsen sind von einem großen Segmentgiebel überspannt. Mit der Pilasterstellung zusammen ist er als Giebelportikus vor dem Risalit aufzufassen, der ins Relief übertragen ist. Unter der oberen Fensterreihe verläuft ein zweites vollständiges Gebälk, das an den Längsseiten der Kirche zu einem Gesims vermindert ist. Es entspricht dem Gebälk im Inneren und ist durch die Pilasterstellung im Innenraum bedingt.

Der Architekt arbeitet an der Fassade demnach mit zwei Ordnungen, von denen die kleinere absent bleibt. Die Attika der Sekundärarchitektur bildet die Fensterzone und verweist auf den Stichkappenbereich des Gewölbes. Das Gebälk ist, wie üblich, in der Profilierung weniger ausladend als das Hauptgebälk im Inneren oder das Gebälk der Primärordnung am Äußeren des Baus. An der Fassade fallen die mannigfachen Formen der Portale, Nischen, Fenster und Schmuckplatten auf. Ihrer Anordnung liegt eine strenge Gesetzmäßigkeit zugrunde. In der Vertikalen folgt stets auf ein Rechteck eine Rundform, wobei in den einzelnen Spalten mit Ausnahme der Mittelachse die Abfolge alternierend mit einem Rechteck oder einem Rundmotiv einsetzt. Bis auf das Hauptportal und die darüber befindliche Nische ist auch in der Horizontalen der Wechsel der Formen konsequent eingehalten.Die Unterbrechung der regelmäßigen Abfolge ist dadurch bedingt, dass innerhalb dieses Systems Dreiecksgruppen ähnlicher Formen gebildet werden. Die erste Gruppe rechteckiger Motive besteht aus den Schmuckplatten unter den Nischen und dem Hauptportal. Ihr ist die zweite aus fünf Kombinationen von Rechteck und Rundbogen übergeordnet, die aus den Toren im Erdgeschoss der Türme, den großen Nischen mit den Engelsfiguren und der kleinen Nische mit dem Kelch über dem Hauptportal zusammengesetzt ist. Aus dieser Fünfergruppe von stetig sich verjüngenden Motiven schließen sich die drei mittleren durch analoge Bildung zusammen und sind als Übergruppe durch die Pilasterstellung mit dem die Kleinformen umfassenden Segmentgiebel herausgehoben. Über der ersten folgt eine zweite Fünfergruppe aus Rechteckformen, die aus den Fenstern über den Toren der Türme, den Schmuckplatten über den Nischen und dem Fenster in der Mittelachse besteht und deren Gestalt vom Quadrat über das Rechteck mit geschweifter Längsseite zum reinen Rechteck abgewandelt ist.

Darüber ist eine weitere Gruppe von Rundformen angeordnet, zu der die kreisförmigen Zierfelder an den Türmen, die querovalen Fenster in den seitlichen Achsen des Risalits und die Schmuckscheibe im Segmentgiebel gehören. Im Unterschied zur vorhergehenden Gruppe steht hier ein Fenster zwischen zwei Ziermotiven. Durch die gedrückte Form der Fenster in der Attikazone der Sekundärordnung entsteht im oberen Teil der Fassade eine gewisse Spannung, die durch den Schwung des übergreifenden Segmentgiebels wiedergelöst wird. Nicht nur in der Gestalt sind die Motive variiert und kontrastiert, sondern auch im Reliefgrad. An den Türmen sind die Rahmungen flach; sie haben fallende Profile, die in die Mauermasse hineinführen.

Die Rahmen der Fenster und Schmuckplatten am Risalit sind ungewöhnlich kräftig und steigen vom Grund auf. Das Formenspiel der Fassade ist nun keineswegs Selbstzweck, sondern dem ikonographischen Programm dienstbar gemacht.

In der Mittelnische tragen auf einem geschweiften Postament geflügelte Engelsköpfe einen Kelch, über dem die von Strahlen umgebene Hostie schwebt. Sie wird von zwei gleichfalls auf Postamenten stehenden Engeln in den seitlichen Nischen verehrt. Die schönen Figuren stammen nach einer Notiz im Wallrafschen Nachlass von dem Kölner Bildhauer Johann van Rick.

Kelch und Engelsfiguren sind nicht nur durch die architektonischen Motive ausgezeichnet, die nach der an der Fassade entwickelten Rangordnung der Formen am höchsten stehen. Durch die den Kelch bergende Nische und das tragende Hauptportal darunter wird der Rationalismus der Formökonomie durchbrochen; durch die Verschiebung in der gesetzmäßigen Abfolge der Motive das die Vernunft übersteigende Geheimnis der Gegenwart Christi im Altarsakrament zur Anschauung gebracht.

Auf einige Eigentümlichkeiten der Detailbildung sei noch aufmerksam gemacht. Wie im Inneren haben die Postamente der Pilaster ungewöhnlich kräftig ausladende Fuß- und Deckprofile. Die jonischen Kapitelle an der Fassade und im Innenraum stimmen überein. Die Kämpfer der Nischen wirken dadurch besonders pointiert, dass die oberen Glieder des Profils beträchtlich über den Wulst darunter ausladen. Die Bodenplatten springen konvex vor und sind von einer Konsole in der Form eines Hängezapfens gestützt. Das Hauptportal ist eine Variante der Türumrahmungen in den Durchfahrten des Neuen Schlosses in Bensberg.

Die im Krieg verbrannten Türflügel sind den Türen des kurfürstlichen Schlafzimmers im Bensberger Schloss so ähnlich, dass auch sie nach einem Entwurf Albertis oder Bartolis angefertigt sein müssen. Über dem Gebälk ist der Grundriss der Türme in ein ungleichseitiges Achteck überführt. Geschweifte Abdachungen, die bei der Renovierung der Fassade 1887 beseitigt wurden, vermittelten ursprünglich einen eleganten Übergang.

Der achteckige Teil der Türme ist in eine Brüstungs- und Fensterzone gegliedert und trägt über dem vollständigen Gebälk eine welsche Haube mit verhältnismäßig großer Laterne und Zwiebeldach. Die Seitenflächen sind in beiden Zonen mit Blendrahmen belegt, so dass eine optisch wirkungsvolle Verstärkung der Kanten des Prismas erzielt wird.

Die rundbogigen Fenster mit markierten Kämpfern und konsolenartigen Schlusssteinen gehören der tieferen Mauerschicht an und stehen auf dem Deckgesims der Brüstung. Die Laterne ist eine Variante des Achteckgeschosses in verkleinertem Maßstab. Zwischen Brüstung und Gebälk vermitteln Voluten von eigenwilliger Form. Durch die Angleichung der Zonen in Formgebung und Dimensionen wurde geschickt vermieden, dass der Oberbau der Türme aus einzelnen Bestandteilen zusammengesetzt erscheint. Er wird durch die fließende Kontur der Dächer und Voluten zu einem einheitlichen, konsequent sich verjüngenden Helm zusammengeschlossen.

Die aufstrebende Tendenz der Turmhelme bildet einen wirkungsvollen Kontrast zum statischen Ernst der Fassade, die nur von den bewegten Engelsgestalten belebt ist. Wie bei der Planung des Bensberger Schlosses hat Alberti gegenüber dem Holzmodell von 1707 die angeschlagenen Motive mit zwingender Konsequenz weiterverarbeitet.

Ähnlich dem Torpavillon des großen Heidelberger Projekts sind die Architekturformen mit derartiger Überlegung verwendet, dass so gut wie keine Variationen mehr möglich sind, wenn sich der Architekt auf eine gewisse Gesetzmäßigkeit der Abfolge festgelegt hat. Wird diese rationalistische Haltung aber bewusst durchbrochen, so geschieht dies in architektonischer Ausdeutung des ikonographischen Programms.
 

Quelle: Gamer, Jörg: Matteo Alberti. Oberbaudirektor des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz,
Herzog zu Jülich und Berg etc.. Düsseldorf 1978, Seite192 ff.