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Gedenkveranstaltung am 27. Januar 2025 am Lern- und Gedenkort Jawne unter Beteiligung der Schülerinnen der Geschichts- und Politikwerkstatt der Jahrgangstufe 9

Datum:
28. Jan. 2025
Von:
Judith Schoene

Am 27.1.2025 hat – wie in jedem Jahr am Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – eine Gedenkveranstaltung am Lern- und Gedenkort Jawne stattgefunden, also an dem Ort, an dem es in Köln einmal ein jüdisches Gymnasium gab. 

In den letzten Wochen haben sich die Schülerinnen der Geschichts- und Politikwerkstatt intensiv mit dem Schicksal von jüdischen Kindern und Jugendlichen beschäftigt, die von den Nazis nach Theresienstadt deportiert wurden. Unter ihnen waren auch Kinder und Jugendliche aus Köln. Theresienstadt war ein Ghetto und Durchgangslager für jüdische Menschen. Von hier aus haben die Nazis die allermeisten von ihnen weiter deportiert und sie dann in den Vernichtungslagern im Osten, vor allem in Auschwitz, ermordet.

Die Schülerinnen der Geschichts- und Politikwerkstatt berichteten bei der Gedenkveranstaltung von ihrem Projekt „Entrechtet, eingesperrt, mutig und kreativ: Kinder und Jugendliche im Ghetto und Durchgangslager Theresienstadt“ und haben sich so aktiv an der Erinnerung an die Opfer des Holocaust beteiligt. Zu diesem Thema haben die Schülerinnen selbständig Workshops mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen erarbeitet, die sie in den Tagen vom 30.1.-6.2.2025 in den Klassen 8 und 9 eigenständig durchführen werden.

Eine Erkenntnis des Kurses war, dass die Kinder und Jugendlichen in Theresienstadt mit der ständigen Angst leben mussten, weiter deportiert zu werden. Sie mussten mit dem ständigen Mangel an Lebensmitteln zurechtkommen und mit dem Verlust von Freunden und Familienmitgliedern. Aber die Schülerinnen des Kurses haben auch erkannt, dass diese Kinder oftmals kreativ und mutig waren, dass sie tolle Freundschaften geschlossen haben und wie, wenn sie überlebt haben, ihr Leben nach dem Krieg weiterging.

Vor den Sommerferien wird der Kurs zu einer 6-tägigen Gedenkstättenfahrt nach Theresienstadt aufbrechen. Theresienstadt liegt etwa 60 km nördlich von Prag (Tschechien). An diesem Ort werden wir versuchen dem Leben der Kinder und Jugendlichen in Theresienstadt noch etwas näher zu kommen und vor Ort ihrer gedenken.

Informationen zu einigen Inhalten der Workshops:

Um etwas über den Alltag der Kinder in Theresienstadt zu erfahren, wurde im Kurs zum Beispiel das Buch „Wir sind die Adler gelesen“, das von Michael Grünbaum geschrieben wurde. Michael Grünbaum ist mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Theresienstadt deportiert worden. Das Buch vermittelt ein eindrückliches Bild vom Leben der Kinder In Theresienstadt.

Fast alle Kinder wurden nach ihrer Ankunft von ihren Eltern getrennt und in sogenannten „Kinderheimen“ untergebracht. Hier wohnten sie, meistens zusammen mit 30 weiteren Kindern, sehr gedrängt in einem Raum, in dem es Betten mit drei Etagen und ganz wenig Platz gab. Von den insgesamt 144.000 Menschen, die in Theresienstadt eingesperrt waren, waren 33.000 Kinder, von denen nur ca. 1.500 überlebten. Die meisten von ihnen starben in den Gaskammern der Vernichtungslager.

Auch wenn sich in Theresienstadt unter den Kindern viele gute Freundschaften entwickelten und die Erwachsenen darum bemüht waren, den Kindern das Leben hier so angenehm wie möglich zu gestalten, so darf man nicht vergessen, was diese Kinder alles verloren haben: Ihre Spielsachen, ihre Haustiere, ihr Zuhause, ihre Freunde, Familienangehörige und ihre Freiheit. Diese Freiheit war aber auch schon viele Jahre zuvor massiv eingeschränkt worden.

Die Kinder und Jugendlichen in Theresienstadt waren Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und des Holocaust. Und obwohl ihr Leben in Theresienstadt immer bedroht war und sie immer fürchten mussten, auf einen der nächsten Transporte nach Auschwitz geschickt zu werden, waren sie doch oftmals mutig und kreativ.

Dieser Mut hat sich den Schülerinnen des Kurses besonders in der Veröffentlichung der Zeitung Vedem gezeigt, was übersetzt so viel heißt wie „wir führen“. Obwohl es von den Nazis streng verboten war, haben ein paar Jungen jede Woche eine Zeitung herausgegeben, in der es z.B. Zeichnungen vom Lageralltag gab, Gedichte, Interviews usw. Die Texte und Bilder zeugen bis heute von der Angst und Bedrohung in Theresienstadt, aber auch von der großen Kreativität der Jungen. Natürlich gab es von der Zeitung keine große Auflage, sondern immer nur ein Exemplar, dass dann weitergereicht wurde.

Die Kinderoper Brundibar, die komponiert wurde von Hans Krasa, wurde in Theresienstadt über fünzigmal aufgeführt. Was die Nazis für ihre Propaganda ausschlachteten, war für die mitwirkenden Kinder ein Stück Freiheit, Leben, Gemeinschaftserlebnis, Ablenkung vom tristen Lageralltag und Freude.

Die Oper erzählt davon, wie Kinder es gemeinschaftlich schaffen, einen Bösewicht davonzujagen. Vielleicht hat ihnen diese Geschichte ja auch die Hoffnung gegeben, dass es eines Tages vielleicht auch gelingen kann, die Nazis zu vertreiben.

„Male, was du siehst!“ Das hat der Vater von Helga Weiss zu seiner Tochter gesagt. Und genau das hat sie gemacht. Sie hat den Lageralltag in ihren Bildern festgehalten. Diese zeigen z.B. das beengte Leben der Menschen in ihren Unterkünften, die Schlangen vor der Essensausgabe oder Menschen, die auf dem Weg zur Sammelstelle sind, von wo aus sie nach Auschwitz deportiert wurden.

Aber Helga hat auch Bilder gemalt, um sich abzulenken, um sich an die schönen Dinge zu erinnern. Etwa wie Kinder einen Schneemann bauen oder wie bei einem Kindergeburtstag Unmengen von Essen herbeigetragen werden. 

Für die Nazis war Theresienstadt nicht nur ein Durchgangslager, sondern auch ein „Vorzeigeghetto“. So wurde Theresienstadt z.B. von einer Delegation des Internationalen Roten Kreuzes besucht und ein Propagandafilm mit dem Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ gedreht. Es gelang den Nazis tatsächlich, die Besucher des Roten Kreuzes über die Zustände im Lager zu täuschen.

Um das zu ermöglichen, gab es vor dem Besuch und vor den Dreharbeiten für den Film eine „Verschönerungsaktion“: Fassaden wurden gestrichen, ein Kaffeehaus eingerichtet, usw. Und auch die Kinder wurden für die Propaganda-Aktion missbraucht: Die kräftigsten Kinder, die gesund aussahen, mussten saubere Kleidung anziehen und z.B., wenn ihnen vom Kommandanten des Lagers, Karl Rahm, Schokolade oder Dosen mit Sardinen angeboten wurden, mit dem Satz „Nicht schon wieder Sardinen, Onkel Rahm!“ antworten. Dies geschah alles unter Zwang.

Auch Kinder aus Köln wurden nach Theresienstadt deportiert. Zum Beispiel die Familie Herz mit ihren 6 Kindern, die eigentlich in Stommeln wohnte, aber dann nach Köln umziehen musste. Wir haben die Namen der Kinder und der Eltern auf den Transportlisten gefunden, die in dem Buch „6.00 Uhr ab Messe Köln-Deutz“ von Dieter Corbach zu finden sind und dann weiter recherchiert. Für die Kinder und die Eltern sind Stolpersteine verlegt worden, aber wir konnten leider nicht herausfinden, was genau diese Kinder in Theresienstadt erlebt haben. Aber sie werden wahrscheinlich auch in den Kinderheimen gelebt haben.

Nur zwei Kinder der Familie Herz, Rudy und Otto, haben den Holocaust überlebt. Die Namen ihrer Geschwister, Alfred, Walter, Johanna und Jona, die in Auschwitz bzw. Bergen-Belsen ermordeten wurden, sind auf den Platten des Brunnens zu finden, der vor dem Lern- und Gedenkort Jawne sthet. Jona wurde nur zwei Jahre alt.

Es gab von Köln aus zwei große Transporte nach Theresienstadt. Einer startete am 16.6. und einer am 27.7.1942. Die Namen der Kinder, die von Köln aus nach Theresienstadt deportiert wurden, befinden sich hier auf diesem Brunnen unter den rund 1.100 Namen von Kindern aus Köln, die im Holocaust ermordet wurden.